Der Mensch und sein Widersacher
Herausgegeben von Erik Hornung und Andreas Schweizer
Der Band vereint die Beiträge der Eranos Tagungen in der Casa Eranos Moscia / Ascona von 2001 (Menschenbilder) und 2002 (Fra Diavolo – Vom Umgang mit dem Bösen).
Annemarie Schimmel
Der Mensch – Eselsschwanz und Engelsflügel
Mit Dschelaleddin Rumi, dem grössten islamischen Mystiker, beginnt und beendet Annemarie Schimmel ihren Vortrag über das Menschenbild im Islam. „Was ist der Mensch?“, fragte Rumi einmal. „Man nahm einen Eselschwanz und band daran die Federn eines Engelsflügels, damit der Esel vielleicht in Gesellschaft des Flügels selbst zum Engel werde.“ Ausgehend von diesem grundsätzlichen Gegensatz entwickelt Annemarie Schimmel einen faszinierenden Überblick über die Stellung des Menschen im Islam - in der Schöpfung, gegenüber Gott und in der Gemeinschaft. Der Mensch ist der Sklave oder Diener Gottes. Das menschliche Herz kann aber auch zum Spiegel werden, in dem die göttliche Schönheit sich spiegeln will.
Andreas Schweizer
„Fare hin mit deim geist an galgen!“ – Martin Luther und C. G. Jung
Ein wahrhaft revolutionärer Geist hat das Leben und Werk dieser zwei Menschen begleitet: Martin Luther und C. G. Jung. Andreas Schweizer zeigt, wie beide in ihrem Suchen mit der dunklen, erschreckenden Seite Gottes konfrontiert waren, mit dem unbekannten Göttlichen. Beide haben so neue seelische Inhalte, die aus dem kollektiven Unbewussten hervordrängten, um verstanden zu werden, ihrer Zeit vermittelt. Mit ihrem Werk haben sie entscheidend dazu beigetragen, dass sich der neuzeitliche Mensch seiner selbst und der wachsenden Verantwortung für die Schöpfung bewusst werden kann.
Erik Hornung
Mensch sein im alten Ägypten
Autobiographien sind im alten Ägypten die älteste literarische Gattung. Sie zeichnen aber ein Idealbild des Menschen, dem die individuellen Züge weitgehend fehlen.
Demgegenüber widmet Erik Hornung seinen Beitrag vor allem einzelnen individuellen Menschen. Da ist Teti, das Bauernmädchen, das zur Zwangsarbeit verurteilt wurde und davon lief. Da ist der Harfenspieler Neferhotep. Da sind die Vorarbeiter und Schreiber in der Künstler- und Handwerkersiedlung Deir el-Medine. Die Quellen, die Erik Hornung vermittelt, geben dem Leser erstaunliche Einblicke in Leben, Denken und Fühlen von Menschen, die von uns durch Jahrtausende getrennt sind.
Annemarie Schimmel/Gudrun Schubert
„Ich bin besser als er.“ Zu Begriff und Gestalt des Teufels im Islam.
Annemarie Schimmel und Gudrun Schubert vermitteln einen Eindruck von der überaus reichen Fülle von Vorstellungen über den Teufel im Islam. Das Bild des Satans im Koran wird hier ergänzt und erweitert. In einer der zahlreich angeführten Legende wird zum Beispiel auf das menschliche Herz als Kampfplatz des Teufels hingewiesen. In der Mystik tritt uns der Teufel als Iblis in unerwartet differenzierter Gestalt entgegen, ja sogar als Liebender.
Alois Haas
Das Böse zwischen Herrlichkeit und Nichts
Im Beitrag von Alois Haas erstreckt sich das Nachdenken über den Teufel und das Böse vom Neuplatoniker Plotin, über Augustin bis zu den Mystikern des späten Mittelalters. Insbesondere Meister Eckhart und der Dominikaner Heinrich Seuse kommen neben vielen anderen zu Wort. Als letzte Antwort der Mystiker auf metaphysisches, physisches und moralisches Böses wird der Gedanke der felix culpa, wie sie die Liturgie der Osternacht feiert, genannt.
Irene Gerber-Münch
Die Bedeutung Mephistos in der Problematik unserer Zeit
Irene Gerber-Münch hebt aus tiefenpsychologischer Sicht die Notwendigkeit hervor, als einzelner Mensch an der eigenen Dunkelheit bewusster zu werden. Am Beispiel von Goethes Faust wird deutlich gemacht, dass zu einem stets nach dem Höchsten strebenden Menschen ein unbewusster Schatten gehört. Masslosigkeit, Gewissenlosigkeit, Geltungsdrang des faustischen Menschen gehen auf Einflüsterungen des Teufels zurück.